ReWOHNlution – Bezahlbar und selbstbestimmt Wohnen!
Die Mieten steigen. Und steigen. Und steigen. Zunehmend auch in Thüringer
Städten. Damit einher geht die Gentrifizierung der Innenstädte und
schlussendlich die räumliche Trennung sozialer Schichten, da am Ende kein
bezahlbarer Wohnraum mehr in Zentrumsnähe zu finden ist. Wer sich das leisten
kann, hat die freie Wahl, wer auf sozialen Wohnraum angewiesen ist – auf den um
die 60% der Thüringer*innen Anspruch haben – bleibt wortwörtlich außen vor.
Gleichzeitig stehen Kleinstädte und Dörfer vor der Herausforderung, mit
Schrumpfung und Leerstand umgehen zu müssen. Teilweise stehen ganze Straßenzüge
leer, während auf der grünen Wiese neue Einfamilienhäuser entstehen. Auch hier
spekulieren Eigentümer*innen von Immobilien, die oft von weit her kommen und
lassen Häuser verfallen.
Ist dieser Mechanismus einmal in Gang gesetzt, werden innerstädtische Immobilien
zum Spekulationsobjekt: Leerstehend und unbeachtet in der Hoffnung auf
gewinnbringenden Weiterverkauf. Der Standort in Zentrumsnähe ist attraktiv und
von Wohnungssuchenden begehrt, der Wert der Immobilien Aufgrund der Nachfrage
also enorm hoch. Doch der Betrieb eines Mietshauses ist zeit-, ressourcen- und
nicht zuletzt kostenintensiv, weshalb viele Anleger*innen sich gar nicht erst
die Mühe machen. Setzt sich das über eine zu lange Zeit fort, verfallen die
Objekte und ein Neubau ist wirtschaftlicher als eine Restaurierung, womit auch
immer ein Stück Stadtgeschichte verloren geht.
Innenstädte sollen jedoch vor allem Begegnungsstätten sein. Wenn nun finanziell
prekär aufgestellte Personen und Familien mietkostenbedingt in großen Blocks am
Stadtrand leben müssen, können sie nicht mehr am kulturellen und sozialen
Austausch im Zentrum teilhaben, sie werden zunehmend isoliert. Das kann auf
Dauer nicht funktionieren.
Spekulation? Nein Danke!
Wie können wir nun die Löcher in unseren Innenstädten stopfen? Wie lange wollen
wir warten, bis sich ein*e Investor*in entschieden hat, eine Immobilie zu
entwickeln? Deutschlandweit gibt es Initiativen, die sich aus genau solchen
Situationen entwickeln und sich selbst in den unmittelbaren Prozess einbringen.
Sie sichten Objekte, die von Investor*innen verwahrlost zurückgelassen oder
endlich von der Kommune zum Verkauf ausgeschrieben wurden und entwickeln ein
Konzept, wie es sich zu günstigem, von profitgeleiteten Eigentümer*innen
unabhängigem Wohnraum entwickeln lässt. Dies geschieht meist in Form von
sogenannten Wohn- oder Quartiersprojekten.
Diese Projekte sind in ihren Zielen, Formen und Umsetzungen höchst
unterschiedlich, eignen sich jedoch strukturell ideal für die sinnvolle und
lebensnahe Ausgestaltung von neuem Wohnraum in Innenstädten. So können sie
Nachbarschaften einbeziehen und teilhaben lassen, müssen nicht gewinnbringend
wirtschaften und können durch Berücksichtigung der Historie eines Ortes diese
erhalten. Je nach Bedarf kann die Gemeinschaftsstruktur eng oder locker,
kommunenähnlich oder individuell gestaltet werden.
Viele Wohnprojekte setzenauf eine generationenübergreifende, inklusive und
integrative Demographie und entsprechenden Austausch. Die gemeinschaftliche
Identität wird nicht nur durch eine eventuell gegebene Historie des Standorts,
sondern auch häufig durch gemeinschaftliche Aktionen, das Angebot von
Werkstätten und Arbeitsgruppen gestärkt.
Bewohner*innen können sich meist aktiv mit ihren individuellen Fähigkeiten im
Projekt einbringen und so zur Instandhaltung des Objekts, der Selbstorganisation
der Gemeinschaft oder der Versorgung hilfsbedürftiger Mitglieder beitragen. Das
fördert nicht nur ihre Selbstverwirklichung und -wirksamkeit, sondern trägt auch
zur strukturellen Unabhängigkeit und finanziellen Kostensenkung bei, was
wiederum weiter die Mietkosten senkt. In diesem Sinne sind Wohn- und
Quartiersprojekte auch häufig in vielerlei Hinsicht nachhaltig. Sie restaurieren
in vielen Fällen ohnehin leerstehende Immobilien, wirtschaften kostendeckend,
lediglich mit der Instandhaltung und Entwicklung der eigenen Immobilie im
Bewusstsein, vernetzen unterschiedlichste Menschen und Gruppen und fördern damit
den sozialen Austausch. Mit entsprechender Förderung könnten auch Baumaterialen
und Heizsysteme nachhaltig umgesetzt werden.
Knete in die Hand nehmen – Nachbarschaften neu Formen!
Die größte Hürde für Wohn- und Quartiersprojekte, sowie ähnliche Unternehmungen,
ist meistens der Anfang. Es müssen Menschen, die Interesse an Teilhabe
haben,sowie finanziellen Mittel gefunden, Visionen entwickelt und Pläne
entworfen werden. Und all das bei Konkurrenz durch finanziell fluide, im
Immobilienmarkt etablierte und bestens strukturierte Unternehmen.
Während im Bund (bspw Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) schon
seit vielen Jahren bekannt ist, dass die Förderung gemeinschaftlicher
Wohnprojekte wichtig für Kommunale Entwicklung ist und viele Bundesländer
entsprechende Unternehmungen unterstützen, ist davon in Thüringen noch nichts zu
spüren. Das muss sich ändern!
Wir fordern, dass aus der Bevölkerung entstehende, sozial ausgerichtete und für
die zunehmend gentrifizierten oder leerstehenden Thüringer Innenstädte
hochrelevante Initiativen wie gemeinschaftliche Wohn- und Quartiersprojekte
gefördert werden:
1. Relevanz anerkennen – Thüringen muss die Bedeutung von
bürger*innenschaftlichen Wohnrauminitiativen wie gemeinschaftliche Wohn- und
Quartiersprojekte anerkennen und in das politische Schaffen aufnehmen!
2. Relevanz propagieren – Stadt- und Raumentwicklung ist Aufgabenbereich der
Kommunen. Das Land muss sich dafür einsetzen, dass diese bei
Objektausschreibungen entsprechende Projekte zielgerichtet ins Auge fassen und
nicht gegen profitinteressierte Unternehmen ausspielen! Dafür wollen wir auch
vor Ort in den Kommunen kämpfen. Statt dem Bestbietenden sollen in Zukunft jene
mit dem besten Konzept Immobilien bekommen!
3. Handreichungen bieten – Es braucht für gründungsinteressierte Gruppen
Leitfäden und informative Unterstützung, wie eine Realisierung in Thüringen am
besten möglich ist!
4. Finanzielle Hürden abbauen – Die Gründer*innen und Beteiligten dürfen nicht
auf den enormen Kosten von Restaurierung, Instandsetzung und Instandhaltung
sitzen bleiben. Für den Ankauf von Grundstücken braucht es neue Modelle und eine staatliche Bezuschussung, hier muss das Land aktiv werden. Insbesondere Initiativen mit Fokus auf sozialen Wohnungsbau müssen nachhaltig finanziell unterstützt werden!
5. Förderung anpassen – Die Wohnprojekte dürfen bei der Wohnraumförderung nicht aus dem Raster fallen. Ob bei der Bundesförderung oder der Thüringer ISSP-Richtlinie, es braucht eine Förderung die auch objektbezogen funktioniert. Insbesondere das Land Thüringen muss sich mehr bemühen und zeitnah Förderungsrichtlinien anpassen und ausreichend ausfinanzieren!
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