2022-07-15

Schwere Waffen für Ukraine? – Ja, aber…

Eine Person hält ein Schild in den Farben der Ukrainischen Fahne hoch. Auf dem Schild steht Putin go home.

-In dieser Form beschlossen auf der 1. Landesmitgliederversammlung 2022 in Weimar-

Wir als Grüne Jugend sind seit unserer Gründung ein pazifistischer Verband, der
Waffenlieferungen und Auslandseinsätze generell äußerst kritisch betrachtet.
Diese grundsätzliche Haltung wird durch den Krieg Russlands in der Ukraine auf
eine harte Probe gestellt. In der Regel ist die Rolle des Aggressors in Kriegen
und Konflikten nicht eindeutig bestimmbar, Ursachen vielschichtig und
dementsprechend sind Waffenlieferungen selten eine sinnvolle Lösung, sondern
befeuern und verlängern die Gewalt in der Regel nur. Deshalb fordern wir ein Verbot von Rüstungsexporten in autoritäre Staaten wie Saudi-Arabien oder die Türkei. Darüber hinaus ist durch die Teilnahme nichtstaatlicher Akteure in diversen Bürgerkriegen die völkerrechtliche Situation häufig nicht eindeutig, sodass kein UN-mandatierter Einsatz möglich ist. Wir verurteilen alle Angriffskriege und stellen uns insbesondere auch gegen den Angriffskrieg der Türkei auf Rojava.

Der Krieg in der Ukraine stellt hier jedoch einen Sonderfall dar, in dem die
Situation so klar ist, wie sonst selten. Das hat auch die deutliche Verurteilung
der russischen Aggression durch die UN-Vollversammlung kurz nach Kriegsbeginn
gezeigt. Russland als militärische Großmacht überfällt völkerrechtswidrig,
getrieben von einer imperialen nationalistischen Ideologie, einen kleineren
Nachbarn mit dem (urspünglichen) Ziel, dessen Existenz auszulöschen. Die Ukraine als souveräner, demokratischer Staat nimmt lediglich ihr Selbstverteidigungsrecht wahr. Die Menschen in der Ukraine sind von Kriegsverbrechen betroffen oder bedroht. In so einer Situation müssen sie die Möglichkeit haben, sich selbst zu schützen. Deswegen ist die Unterstützung der Ukraine durch die Lieferung schwerer Waffen der westlichen Staaten richtig und notwendig, denn ein Ausbleiben dieser Unterstützung würde global einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der völkerrechtliche Prinzipien aushebelt und anderen Großmächten als Vorbild dienen kann, in ein anderes schwächeres Land einzumarschieren. Auch für die Sicherheitslage in Europa wäre ein russischer Sieg in diesem Krieg fatal, da weitere russische Aggressionen beispielsweise gegenüber Moldau oder dem Baltikum garantiert wären. Im Gegenzug würde ein Scheitern der russischen Aggression eine Stärkung des Völkerrechts und der freiheitlichen Demokratie nicht nur in Osteuropa bedeuten. Daher ist es unerlässlich, dass die ukrainische Souveränität gewahrt bleibt und ein Frieden zu den Bedingungen der Menschen in der Ukraine geschlossen wird.

Es ist richtig, dass auch Deutschland die Ukraine mit der Lieferung schwerer
Waffen unterstützt. Es ist aber ebenso richtig, dass das kein singuläres Mittel
zur Unterstützung der Ukraine sein kann. Gleichzeitig braucht es humanitäre
Hilfe vor Ort, die auf die Bedürfnisse besonders vulnerabler Gruppen zugeschnitten ist. Schutzbedürftige müssen in Deutschland Zuflucht finden können und dabei vor Prekarität und Diskriminierung geschützt sein. Außerdem ist massiver ökonomischer Druck auf Russland nötig, durch weitgehende Sanktionen und einen möglichst schnellen Importstopp für Kohle, Öl und Gas. Letzteres bedeutet jedoch nicht, dass die Importe einfach durch andere aus ebenso autoritären Staaten ersetzt werden können. Stattdessen muss schnellstmöglich und mit höchster Priorität die Abhängigkeit von fossilen Importen reduziert werden und das Energiesystem auf Erneuerbare umgebaut werden.

Ebenso dürfen verstärkte Waffenlieferungen kein Freifahrtschein für unbegrenzte Profite der Rüstungsunternehmen sein. Stattdessen sollten Instrumente wie eine Sondersteuer auf Gewinne aus Rüstungsexporten zur Finanzierung humanitärer Hilfe oder (Teil-)Verstaatlichungen zur Anwendung kommen.

Der Krieg in der Ukraine wirft auch grundlegende Fragen darüber auf, wie die Bundeswehr, die NATO und die UN in Zukunft aufgestellt werden sollten. Angesichts dessen, dass bereits in den vergangenen Jahren jährlich über 50 Mrd. € staatlicher Mittel in die Bundeswehr investiert wurden, womit Deutschland auch im internationalen Vergleich eine Spitzenposition einnimmt, und sich diese offensichtlich trotzdem in einem desolaten Zustand befindet, muss zuerst geklärt werden, an welchen Stellen dieses Geld versickert ist und es müssen die Strukturen reformiert werden, um dies in Zukunft zu verhindern. Ein unkontrollierter Aufwuchs der Rüstungsausgaben ist in jedem Fall keine adäquate
Antwort auf die neue Sicherheitslage. Stattdessen braucht es eine effektive
Koordination der Zuständigkeiten innerhalb der NATO, sowie eine Reform dieser
mit einem stärkeren Fokus auf demokratische und rechtstaatliche Prinzipien.
Ebenso ist eine Reform der Sicherheitsstrukturen auf Ebene der Vereinten
Nationen wichtig, die unter anderem eine Abschaffung des Vetorechts bestimmter
Mächte im UN-Sicherheitsrat beinhalten sollte. Stattdessen braucht es
internationale Garantien, die die Einhaltung des Völkerrechts auch im Ernstfall
sicherstellen.



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