2022-03-25

TIERHALTUNG IN DER LANDWIRTSCHAFT GRENZEN SETZEN



BESCHLUSS VOM 4. JULI 2015

Im Zuge der landwirtschaftlichen Entwicklung über die Jahrhunderte hinweg, konnten immer mehr Menschen ernährt werden. Die Mechanisierung und die Erfindung des mineralischen Düngers im 19. Jahrhunderts bewirkten, dass immer weniger Menschen für die Erzeugung von immer mehr Lebensmitteln gebraucht wurden. Die gesellschaftliche Entkopplung zwischen Lebensmitteln und der Art und Weise ihrer Erzeugung vollzog sind erst in den vergangenen Jahrzehnten. Bauernhöfe mussten sich der Maxime „Wachsen oder Weichen“ unterwerfen und entwickelten sich aufgrund dessen immer mehr zu fabrikähnlichen Betrieben, in der die Tierhaltung durchrationalisiert ist. Bemühungen um artgerechte Tierhaltung und gesetzliche Anforderungen an den Tierschutz traten dabei immer weiter ins Hintertreffen und haben nichts mit den oft idyllisch anmutenden Werbebotschaften des Lebensmittelhandels und der Agrarindustrie zu tun.Dies hinterlässt unübersehbare Spuren im Landschaftsbild. Schweine und Geflügel sind fast vollständig aus der Landschaft verschwunden und auch weidende Milchkühe werden immer seltener. Stattdessen fristen über hundert Millionen Tiere ihr kurzes Leben dicht zusammengedrängt in Intensiv-Tierhaltungsanlagen.Damit die Tiere diese Haltungsbedingungen überleben, werden sie durch sogenannte zootechnische Eingriffe an Schwänzen, Schnäbeln, Hörnern und Zähnen zurechtgestutzt und so an die industriellen Stallanlagen angepasst. Damit einher geht, eine weitere Grundbedingung der agroindustriellen Tierhaltung, der hohe Einsatz von Medikamenten – insbesondere von Antibiotika – ohne den eine solche Tierhaltung unmöglich wäre.Diese Form der Tierhaltung lehnen die meisten Menschen ab. Dies zeigen nicht nur immer wieder die Ergebnisse entsprechender Umfragen, sondern auch die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen große Tierhaltungsanlagen und für eine umweltfreundliche und tiergerechte Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel einsetzen. Aufgabe ist es daher eine Agrar- und Ernährungswende einzuleiten, die die fortschreitende Entfremdung zwischen Verbraucher*in und Erzeuger*in überbrückt, sowie die Frage des Umgangs mit Nutztieren und das Bewusstsein für eine gesunde und umweltschonende Ernährung in den Fordergrund stellt. Die Politik kann diese Aufgabe nur gemeinsam mit den Verbraucher*innen, Bäuer*innen, der Wissenschaft, sowie den Lebensmittelkonzernen und dem Handel bewältigen.

Tierzucht
Über Jahrhunderte wurde die Züchtung dazu eingesetzt, Tiere zu erhalten, die optimal an die jeweilige Region angepasst waren. So entstanden die Landrassen/Landschläge, wie die schwarzbunten oder rotbunten Rinderschläge in Norddeutschland, die Angler, das Braunvieh und die Hinterwälder in Süddeutschland. Die Tiere waren optimal an die Bedingungen einer Gegend, wie das Klima, die Böden aber auch die Futterbedingungen und die zu leistende Arbeit angepasst. Bei der industriellen Tierzucht stehen Leistungsparameter im Vordergrund, Gesundheit und Widerstandsfähigkeit sind nebensächlich geworden. Weltweit agierende Agrarkonzerne produzieren Tiere, die innerhalb kürzester Zeit besonders viel Fleisch ansetzen, Eier legen oder Milch geben. Die Folge diese Zuchtselektion ist, dass die Tiere unter massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden. Bei Schweinen häufen sich aufgrund des raschen Fleischwachstums Herz-Kreislauferkrankungen und Unfruchtbarkeit, und bei Puten und Masthühnchen führt das enorme Wachstum der Brustbemuskelung häufig zu massiven Bewegungseinschränkungen.Diese vermeintliche Leistungssteigerung der Tiere, die sich allein auf Nützlichkeitserwägungen der Industrie gründet, hat ein anderes Nahrungsbedürfnis zur Folge, das mit heimischen Futter kaum erfüllt werden kann. So werden zunehmend Getreide und eiweißreiche Futterpflanzen verfüttert, die im Gegensatz zu Gras, Heu und Silage über weite Strecken transportiert und gehandelt werden. Es werden in großem Umfang Importfuttermittel insbesondere Eiweißfutterpflanzen aus Übersee nach Deutschland verschifft. Allein für den Anbau von Sojabohnen nahm Deutschland im Jahr 2012 etwa 2,5 Millionen Hektar außerhalb der EU, vor allem in Brasilien und Argentinien, in Anspruch. Das entspricht fast einem Sechstel der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands. Laut Welternährungsorganisation (FAO) leiden derzeit rund 870 Millionen Menschen Hunger und Unterernährung. Gleichzeitig werden rund 40 % der Weltgetreideernte für die Tiermast eingesetzt. Allein der Verzicht auf den jährlichen Import von 50 Millionen Tonnen Futtermittel in der EU würde ausreichen, um 600 Millionen Hungernden eine ausreichende Ernährung zukommen lassen zu können.

Diese einseitige Zucht zu Lasten der Vielfalt landwirtschaftlicher Tierrassen und deren Gesundheit lehnen wir ab. Wir fordern daher artgerechte Tierhaltung in der Landwirtschaft für die nur solche Tierrassen genutzt werden dürfen, die ohne Eingriffe in ihre körperliche Unversehrtheit, ohne den unbegründeten Einsatz von Antibiotika zum Wohl des einzelnen Tieres und ohne die Fütterung mit importierten Eiweißfutterpflanzen in der Freilandhaltung überlebensfähig sind.

Tierhaltung
Die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben für die Tierhaltung erlauben eine qualvolle Enge in Ställen und Käfigen. In einem solchen System, dass ausnahmslos die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund stellt, wird keine Rücksicht auf artspezifische Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Tiere genommen. Der hohe Anteil an krankhaften Verhaltensstörungen in den industriellen Tierhaltungsanlagen zeigt den Stress der Tiere, für den sie keine Kompensationsmöglichkeit haben. Nach der Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Käfighaltung für Legehennen, wurden inzwischen auch die sogenannten „ausgestalteten Käfige“ für verfassungswidrig erklärt. Trotzdem verweigert die Bundesregierung die Umsetzung dieser höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Mit langen Übergangsfristen wird versucht den notwendigen Vollzug hinauszuzögern.

Wir fordern daher, dass die Nutztierhaltungsverordnung so überarbeitet wird, dass die Tierhaltung sich allein an artspezifischen 
Verhaltensweisen und Bedürfnissen der Tiere orientiert und diese gewährleistet.

Tiergesundheit
Die Krankheiten in der heutigen landwirtschaftlichen Tierhaltung entstehen vor allem durch Enge, Bewegungsmangel, Stress und die hohen Tierzahlen. Durch einseitige Zucht auf spezielle Leistungskriterien wie Milchprodukte oder Fleischansatz treten Stoffwechsel- und Gelenkerkrankungen sowie Entzündungsvorgänge gehäuft auf. Dieses führt bei den Tieren zu Schmerzen und Leiden, verkürzt die Lebenszeit und erfordert wiederum den Einsatz von Medikamenten. Um die Tiere trotz der nicht artgerechten Haltung und des Infektionsdrucks bis zur Schlachtreife zu bringen, werden in großem Stil Antibiotika eingesetzt. Dabei werden ganze Tierbestände behandelt, obwohl nur einzelne Tiere erkrankt sind. Antibiotika sind das „Schmiermittel“ der Intensivtierhaltung. Durch den häufigen Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung können sich zunehmend resistente Bakterien bilden, die auch für den Menschen, d.h. die Verbraucherinnen und Verbraucher, eine unmittelbare Gefahr darstellen. Die heutigen fabrikähnlichen Großstallanlagen sind quasi Inkubatoren für resistente Keime. Deren Entweichen in die Umgebung können auch umfangreiche Hygienemaßnahmen nicht dauerhaft verhindern.

Wir fordern daher die unabhängige Überwachung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung. Um Interessenskonflike zu vermeiden, sollen Tierärzt*innen keine Antibiotika verkaufen dürfen. Der Einsatz soll immer nur für einzelne Tiere angeordnet werden können. Reserveantibiotika müssen dem Menschen vorbehalten bleiben.

Verbraucher*inneninformation und -bildung
Verbraucher*innen und Verbrauchern ist zunehmend das Wissen über landwirtschaftliche Produktionsprozesse und über gesunde Ernährung verloren gegangen. Der Mensch entfernt sich immer mehr von seiner unmittelbaren Lebensgrundlage. Gleichzeitig haben die letzten Jahre auch gezeigt, dass gerade der stark verästelte Handel mit Lebensmitteln – und hier insbesondere mit Fleisch – äußerst anfällig für Betrügereien und Panschereien ist.Teilweise ratlos stehen die Verbraucher*innen schließlich vor den Regalen und Kühltruhen, wenn es um die Frage geht, ob sie mit ihrem Einkaufverhalten eine tiergerechte Landwirtschaft unterstützen können. Für eine bewusste Kaufentscheidung zugunsten einer tiergerechten Landwirtschaft brauchen Verbraucher*innen deshalb Klarheit über Herkunft und Herstellungsweise der Produkte. In ganz besonderem Maße gilt dies für den Bereich der verarbeiteten Lebensmittel. Hier müssen klare Herkunftsbezeichnungen und eindeutige Angaben zu Inhaltsstoffen vorhanden sein, damit die Verbraucher*innen eine bewusste Kaufentscheidung treffen können.Um das Wissen über die Nahrungsmittelerzeugung zu verbessern und Verbraucher*innen das Erkennen tiergerechter Produkte zu ermöglichen, setzen wir uns für eine verstärkte Ernährungsbildung und Lebensmittelkennzeichnung ein.

Wir fordern, dass bei Verwenden von Darstellungen von Tieren und deren Haltungsbedingungen auf Verpackungen von Lebensmitteln, diese wahrheitsgemäß die tatsächlichen Haltungsbedingungen der im Lebensmittel verwendeten tierischen Produkte wiederspiegeln müssen.

Raus aus der agrarindustriellen Sackgasse
Wir sehen das Tier als Mitgeschöpf und fordern die aufeinander abgestimmte Nutzung von Pflanzen, Böden und Wasser unter nachhaltigen Bedingungen. Grenzenloses Wachstum zu mehr Profitabilität führt bei der Haltung von Tieren zu millionenfachem Leiden. Hier fordern wir ein Umdenken. Die Tiere sollen ihre arteignen Verhaltensweisen ausüben können – darauf müssen Zucht und Haltung ausgerichtet sein. Die konsequente Umsetzung führt automatisch dazu, dass die Anzahl der Tiere auf einer bestimmten Fläche nach oben hin begrenzt ist und Großhaltungsanlagen im heutigen Stil keine Zukunft mehr haben können.Technischer Fortschritt und wissenschaftliche Erkenntnisse müssen zuallererst zugunsten der Tiere und damit auch zum Nutzen von Boden, Wasser und Klima, sowie letztlich auch der Gesundheit des Menschen genutzt werden.



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